
Esslingen/Stuttgart. Ob am Montag bei einer Grundsatzrede in der Oberrealschule Esslingen oder mit einer eigenen parlamentarischen Initiative: Der Schwetzinger Abgeordnete und Vizepräsident des Landtags, Daniel Born, hat der sogenannten Loverboy-Methode den Kampf angesagt. „Die Gefahr wird öffentlich kaum wahrgenommen, für die Betroffenen und ihre Familien ist sie eine grausame Realität: Mit der sogenannten ‚Loverboy-Methode‘ gelingt es jungen Männern mit manipulativen Tricks und vorgetäuschter Liebe Mädchen im Teenageralter in die Falle zu locken, um sie letztendlich zur Prostitution zu zwingen. Wir müssen gemeinsam handeln, um den Loverboys das Handwerk zu legen“, so der SPD-Politiker.
Die Loverboy-Methode ist eine perfide Taktik, mit der Männer durch vorgetäuschte Liebe und emotionale Manipulation zumeist sehr junge Frauen in Abhängigkeit bringen und ausbeuten – mit lebenslangen Konsequenzen für die Betroffenen. Zunächst nähert sich der Loverboy seinem Opfer mit Charme und Aufmerksamkeit. Er gibt vor, verliebt zu sein, und schmeichelt seinem Opfer. Die Zuneigung und Bestätigung, die der sogenannte Loverboy dem Mädchen, das zum ersten Mal verliebt ist, vorgaukelt, ist vor allem in der Entwicklungsphase der Pubertät eine perfide Strategie, um Vertrauen zu erschleichen und eine emotionale Abhängigkeit aufzubauen. Der Loverboy bietet Unterstützung, Trost, macht Komplimente und Geschenke.
Gleichzeitig isoliert er sein Opfer von Familie und Freunden. Sobald Manipulation und Abhängigkeit ausreichend fortgeschritten sind, offenbart der Loverboy sein wahres Ziel: Geld zu verdienen, indem er sein Opfer zur Prostitution bringt. Er nutzt Druck, Drohungen, handfeste Erpressungen oder physische Gewalt, um die ausbeuterische Zusammenarbeit zu zwingen. Für die Opfer ist es äußerst schwierig, sich aus dieser gefährlichen Situation zu befreien. Selbst wenn das Opfer den Missbrauch durchschaut, ist es schwer, sich von diesen Gefühlen zu lösen und der Situation zu entfliehen. Junge Mädchen und Jungen, die in die Abhängigkeit zu einem Loverboy geraten sind, fühlen sich isoliert und beschämt. Sie haben Angst vor Verurteilung oder Ablehnung durch ihre Familie und die Gesellschaft und schweigen deshalb oft über ihre Erfahrungen.
Die Antwort auf Borns Anfrage aus dem Kultusministerium offenbart ein düsteres Bild: Für die Gefahr, der junge Frauen durch die Loverboy-Methode ausgesetzt sind, gibt es wenige Daten und kaum öffentliches Bewusstsein. Mehr noch: „Die Loverboy-Gefahr ist auch deshalb so groß, weil sie schlichtweg ignoriert wird“, zeigt sich Born entsetzt darüber, wie sehr es an Aufklärung und Schutz fehlt. „Das muss sich ändern, denn für viele junge Frauen und Männer ist es eine reelle Gefahr, von erwachsenen Männern emotional abhängig und ausgebeutet zu werden, bis hin zur Prostitution. Deshalb brauchen wir Präventionsarbeit und das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Damit potenzielle Opfer gewarnt werden und Betroffene sich nicht scheuen, Hilfsangebote wahrzunehmen. Wir müssen Kinder und Jugendliche stärken, damit sie sich gegen jede Form von Ausbeutung wehren können.“
Bildungsexperte Born setzt sich seit langem für eine bessere Aufklärung und Prävention in diesem Bereich ein und hält Maßnahmen zur Sensibilisierung und zum Schutz potentieller Opfer für dringend geboten. Rückmeldungen aus den Beratungsstellen geben Borns Besorgnis recht: Die Beratungspraxis zeigt, dass sich in den letzten Jahren vermehrt besorgte Angehörige im Zusammenhang mit dem Thema „Loverboys“ an die Fachberatungsstellen gewandt haben. Es ist von einem hohen Dunkelfeld auszugehen, das Ausmaß von Einzelfällen ist nicht bekannt. Da die Polizeiliche Kriminalstatistik die „Loverboy-Methode“ nicht als Parameter erfasst, können keine konkreten Angaben zur Anzahl der Fälle gemacht werden. Nur in wenigen Fällen kommt es zu einer Strafanzeige.
Eng arbeitet Born in dieser Frage mit der Vorsitzenden der SPD Frauen in Baden-Württemberg, Dr.Brigitte Schmid-Hagenmeyer, zusammen. Schmid-Hagenmeyer macht deutlich: „Wenn Jugendliche die Betrugsmasche nicht kennen, können sie sich viel schwerer vor dem psychologisch oft sehr geschickten manipulativen Vorgehen der Täter schützen. Der Schaden für die Betroffenen ist häufig enorm.“ Ein standardisiertes landesweites Präventionsangebot der Polizei Baden-Württemberg, das sich spezifisch mit der „Loverboy-Methode“ befasst, gibt es aktuell nicht. Die regionalen Referate Prävention nehmen die Thematik aber lage- und bedarfsorientiert in ihre Präventionsarbeit auf.
Für eine näherungsweise Gefahren- bzw. Risikoeinschätzung eignet sich das Bundeslagebild „Menschenhandel und Ausbeutung“ des Bundeskriminalamts (BKA), das jährlich die Anzahl der abgeschlossenen Ermittlungsverfahren veröffentlicht. Im Jahr 2022 gab es in Deutschland 171 Verfahren mit minderjährigen Opfern, darunter 156 Verfahren wegen kommerzieller sexueller Ausbeutung. In den Ermittlungsverfahren wurden 185 Opfer festgestellt, wobei 18 Minderjährige der „Loverboy-Methode“ zum Opfer fielen.
„Die Loverboy-Methode ist extrem effektiv darin, junge Menschen in eine gefährliche Spirale aus Manipulation, Abhängigkeit und Ausbeutung zu ziehen. Deshalb brauchen wir eine frühzeitige Aufklärung und flächendeckende Präventionsangebote dort, wo potentielle Opfer angesprochen werden – an unseren Schulen. Es liegt in unserer Verantwortung, junge Menschen vor sexueller Gewalt und Zwangsprostitution durch ‚Loverboys‘ zu warnen und zu schützen“, resümiert der Schwetzinger Abgeordnete.